Das Wirtschaftswunder der 50er-Jahre

Die wenigsten von uns waren Zeitzeugen, aber wir haben es im Geschichtsunterricht oder später im Rahmen der Volkswirtschafslehre gelehrt bekommen: das Wirtschaftswunder unter der Regie von Ludwig Erhard. Unter www.wirtschaftswundermuseum.de gibt es sogar ein virtuelles Museum, das eine Reihe der für diese Zeit typischen Werbemotive zeigt und so die Stimmung jener Zeit einfängt.

Die Grundlagen für diesen Aufschwung legte Erhard als einer der Vordenker der Währungsreform vom 20. Juni 1948. Der Erfolg der Währungsreform gründete auf verschiedenen Faktoren. Da war zum einen der psychologische Effekt neues Geld in den Händen zu halten. Das konnte dann auch wirklich jeder anfassen, denn jeder Bürger bekam 40 DM ausgezahlt, das sogenannte Kopfgeld. Ein wesentlicher Faktor war jedoch eine mutige Entscheidung Erhards: die Zwangsbewirtschaftung und die Preisbindungen für einen Teil der industriellen Fertigprodukte wurde mit der Währungsreform aufgehoben.

Das war nicht ohne Risiken und tatsächlich stiegen die Preise danach, konnten aber schließlich durch eine kluge Geldmarktpolitik der Zentralbank stabilisiert werden. Die positiven Effekte wurden jedoch sofort sichtbar: über Nacht waren die Schaufenster plötzlich wieder gefüllt. Was bis dahin nur mit viel Glück auf dem Schwarzmarkt zu erhalten war, konnte man geregelt und legal gegen das neue Geld tauschen. Und die freien Preise waren für die Produzenten nun auch Anreiz, die Produktion zu erhöhen. Mit steigender Kaufkraft war es dann auch interessant, neue Produkte auf den Markt zu bringen, d. h. in Forschung und Entwicklung zu investieren. Der Innovationsgeist war angefacht, „Made in Germany“ wurde zu einer Qualitätsaussage und das Wirtschaftswunder nahm seinen Lauf.

Das Wirtschaftswunder in der eigenen Organisation

Dieser kleine Rückblick soll der Einstieg in die Fortsetzung zu meiner Blog-Artikelreihe über den „Marktplatz der Verbesserung“ gewesen sein. Darin stelle ich ein Konzept vor, wie Organisationen Mechanismen eines Marktplatzes nutzen können, um passende Lösungen für Anforderungen zu finden und die Innovationskraft der eigenen Mitarbeiter zu stärken.

Mein letzter Artikel lies die Frage offen: Wie bekommt man diesen Marktplatz in Gang? Von Erhard können wir hier einiges abschauen. Darüber hinaus gibt es in der Kommunalpolitik einige Ansätze, denen man sich bedienen kann. Und nicht zuletzt zeigen auch erfolgreiche Plattformen für Innovationsmanagement spannende Möglichkeiten. So kann man sich Inspiration verschaffen, welche Konzepte und Methoden am besten für die eigene Organisation geeignet sind.

Erhard – die Ikone

Eine Bewegung braucht ein Gesicht. Ludwig Erhard war das Gesicht des Wirtschaftswunders. Er wusste, dass er die Massen für seine Vision der sozialen Marktwirtschaft gewinnen musste. Dies gelang ihm als Autor seines Buches „Wohlstand für alle“, das er in der Sprache des kleinen Mannes verfasste.

Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F004204-0003 / Adrian, Doris / CC-BY-SA

Was für das Wirtschaftswunder gut war, funktioniert auch, um den Enthusiasmus der eigenen Mitarbeiter zu entfesseln und die Identifikation mit dem eigenen Unternehmen zu steigern: auch hier braucht es ein Gesicht. Die Kampagne der Einführung eines Marktplatzes der Verbesserung braucht ein Gesicht und zwar eines, dem die Mitarbeiter zutrauen, dass diese Person kraft seiner Ausstrahlung, Kompetenz und Position bzw. Macht im Unternehmen diese Kampagne auch zum Erfolg führen kann. Und diese Person sollte die Idee seinen Mitarbeitern in einer Sprache vermitteln, die sie verstehen. So können sie den Nutzen erkennen und lassen sich davon anstecken, mitzumachen.

OK, so einleuchtend diese Forderung klingen mag, so schwer wird sie in der Praxis umzusetzen sein. Das Top Management hat viel zu tun, zu viel, um jetzt auch noch als Community Manager tätig zu werden. Anfänglich wird der auserkorene Manager – das Gesicht des Marktplatzes der Verbesserung – durch persönliche Präsenz die Mitarbeiter von der Idee überzeugen müssen. Nach diesem Anfang wird er auch weiterhin zeigen müssen, dass er sich für den Marktplatz interessiert und ihn unterstützt. Dazu kann er dann auch eine Assistenz als Community Manager einspannen. Diese schreibt dann im firmeninternen Blog in seinem Namen. Alternativ kann sie in eigenem Namen schreiben und das Management kommentiert dann regelmäßig diese Beiträge.

Von Auswertungen und Metriken

Wer soziale Netzwerke nutzt kennt das: Likes oder +1 oder ähnliches, womit Nutzer ihr Gefallen an einem Inhalt ausdrücken. Diese Möglichkeiten sollten auch auf einer Plattform genutzt werden, auf dem der Marktplatz der Verbesserung abgebildet wird. Stellt jemand eine Idee, eine Innovation ein, aber niemand liket diesen Beitrag, so ist die Idee möglicherweise nicht klar und verständlich formuliert, so dass man auch den Nutzen nicht erkennen kann. Gleiches gilt, wenn jemand eine Anforderung beschreibt, also der Kaufinteressent an einer Lösung sich auf den Marktplatz der Verbesserung begibt. Kommt auf sein Beitrag keine Resonanz, so kann er nochmals seine Anforderung reflektieren oder sich persönliches Feedback bei Kollegen holen, um dann nochmals an der Anforderungsbeschreibung zu feilen. Wer schon mal versucht hat ein Auto über das Internet zu verkaufen kennt das: bleibt das Interesse aus, stellt man vielleicht noch ein paar weitere coole Bilder des Autos ein, bietet an die Winterreifen mit dazu zu geben oder geht sogar mit dem Preis runter.

Neben dem Liken für einen Beitrag sollte natürlich auch das Kommentieren möglich sein. Das ist ja auch gerade das, was einem realen Wochenmarkt die Atmosphäre verleiht. „Herr Matt, Ihr Apfelmost von letzter Woche hat wieder genau meinen Geschmack getroffen. Leicht moussierend aber noch süß.“ Über ein solches Feedback freut sich der Mann am Obststand und er belohnt seinen Kunden eventuell mit einem Tipp der Woche oder einem Apfelkuchenrezept seiner Großmutter. Kommentare zu Ideen- oder Anforderungsbeiträgen sogen ebenfalls dafür, dass die Teilnehmer am Ball bleiben, erst Recht wenn die Kommentare „von Herrn Erhard“ kommen. Kommentare tragen also ganz wesentlich dazu bei, dass auf dem Marktplatz der Verbesserung eine Atmosphäre herrscht, die dazu einlädt, wiederzukommen.

Das ganze Feedbacksystem funktioniert natürlich nur dann richtig gut, wenn die technische Plattform, auf der der Marktplatz der Verbesserung realisiert wird, auch Metriken anbietet, die erkennen lassen, wie groß das Interesse an einem Beitrag ist und wie sich das Interesse über die Zeit streut. Einfache Metriken kennt jeder, der schon mal ein Angebot bei eBay eingestellt hat. Da interessiert man sich dafür, wie viele sich das Angebot bereits angesehen oder gar gemerkt haben.

Von Bürgergutachten und Planungszellen

Manchmal mag es vorkommen, dass für eine wirklich wichtige und dringende Anforderung einfach keine Lösung kommen mag – und das, obwohl an der Formulierung der Anforderung bereits gefeilt wurde. Was dann? Hier kann man sich von einem Vorgehen inspirieren lassen, das bereits so manche kommunale Verwaltung erfolgreich genutzt hat, um eine Lösung mit einer breiten Akzeptanz zu finden: die Planungszelle, die ein Bürgergutachten erstellt.

Eine Planungszelle besteht aus bis zu 25 Bürgern. Wesentlich dabei ist, dass diese zufällig aus dem Melderegister ausgewählt werden und dennoch einen repräsentativen Querschnitt der Bürger bilden – Hausfrauen, Rentner, Angestellte, Arbeiter, Unternehmer und das aus möglichst unterschiedlichen Berufsgruppen. Die Gruppe arbeitet dann an vier bis fünf Tagen gemeinsam an einer Problemstellung. Hierzu werden sie anfänglich durch Experten an das Thema herangeführt, die verschiedene bekannte Lösungsvarianten auch kontrovers darstellen. In kleineren Gruppen von fünf Personen erfolgt dann die eigentliche Lösungsfindung. Anfänglich werden die Gruppen eventuell durch einen neutralen Moderator angeleitet, der sich auf die Arbeit mit Planungszellen spezialisiert hat. Um Meinungsführerschaften oder eine Dominanz einzelner Mitglieder entgegenzuwirken, werden die Gruppen nach einiger Zeit neu zusammengesetzt – also ähnlich, wie man es von der Workshopmethode World Café kennt.

Als Ergebnis erstellen die Teams ein Bürgergutachten. Der Auftraggeber ist natürlich an dieses nicht gebunden, kann jedoch bei der Umsetzung der Lösung auf das Bürgergutachten zugreifen oder dieses modifiziert realisieren. In größeren Projekten können mehrere Planungszellen parallel arbeiten, um ein noch repräsentativeres Gutachten zu erhalten.

Während Mitglieder einer Planungszelle vom kommunalen Auftraggeber eine Aufwandsentschädigung erhalten, dürfte sich in einem Unternehmen die Freistellung der ausgewählten Mitarbeiter leichter organisieren lassen. Hier kann man sich für die erste Planungszelle einen erfahrenen Moderator ins Haus holen, er gleich auch einen internen Mitarbeiter schult, der dann künftig Planungszellen moderieren kann. Dadurch, dass Mitarbeiter durch das Management eingeladen werden, an der Planungszelle mitzuwirken, haben sie quasi auch einen offiziellen Auftrag. Sie werden um ihre Meinung gebeten. Das kommt gerade Mitarbeitern zu Gute, die zwar gute Ideen haben aber zu zurückhaltend sind, um diese zu äußern. Andererseits beugt es auch möglichen Neid vor. So manchem wurde bereits vorgeworfen, sich mit einer Idee profilieren zu wollen. Wer aber darum gebeten wurde, an einer Planungszelle mitzuarbeiten, ist von diesem Verdacht aus dem Kollegenkreis befreit.

Gameplay auf der Arbeit

So manch einer mag irritiert geschaut haben, als er das erste Mal Gast bei einer Firma war, die Spielkonsolen für die Mitarbeiter aufgestellt hatte. Gameplay scheint förderlich zu sein. Auch für den Marktplatz der Verbesserung können spielerische Methoden zum Einsatz kommen. Das zeigt auch eine aktuelle Roadshow, die die Zeitschrift Wissensmanagement gemeinsam mit MindJet durchführt. Unter dem Motto „Kreativität mit System: Innovationsmanagement strategisch umsetzen“ wird neben theoretischen Grundlagen auch gezeigt, wie spielerische Elemente eingesetzt werden können, um Mitarbeiter zu begeistern, Ideen beizutragen. Die Roadshow läuft noch bis zum 04.06.2014. Infos, Orte und Termine finden sich hier.

Wem es nicht möglich sein sollte, die Veranstaltung zu besuchen – mein Blog wird fortgesetzt. Im nächsten Artikel wird es um den Marktplatz der Verbesserung als Spielplatz der Verbesserung gehen.

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