Abstract

Dieser Artikel soll Entscheidern in Unternehmen deutlich machen, dass ihre Unternehmen sehr rasch auf die wachsenden Fähigkeiten von KI, insbesondere von Chatbots wie ChatGPT reagieren sollten: Unternehmen sollten die bestehenden Möglichkeiten und die Potentiale in ihren strategischen Planungen aufnehmen. Zudem benötigen Mitarbeiter Richtlinien im Umgang mit Chatbots. Der Artikel gibt zudem mit Stand April 2023 einen Ausblick, wie sich kurzfristig die Fähigkeiten von Chatbots verbessern werden. Manche Forscher bezeichnen die  Version GPT-4 bereits als ein System der „künstlichen Allgemeinintelligenz“ (AGI, Artificial General Intelligence).

Der iPhone-Moment

Häufig wurde der November 2022 als „der iPhone-Moment der KI“ bezeichnet. Was war passiert? Ende November 2022 machte das kalifornische Unternehmen OpenAI seinen Chatbot ChatGPT der Öffentlichkeit zugänglich.
Während anfänglich noch darüber gelächelt wurde, dass ChatGPT Kuchenrezepte mit Zement erstellte, so ist das Tempo, mit dem ChatGPT lernt, erstaunlich. Es lässt das Potential der verwendeten Modelle, sogenannter LLMs (large language models), erahnen.

Verbraucher als Beschleuniger

Doch warum die Analogie zum iPhone? Zum einen wurden Smartphones mit der Veröffentlichung des iPhones zum Alltagsgegenstand. Noch wesentlicher waren die Auswirkungen auf Unternehmen:

  • Neue Märkte und Geschäftsmodelle: Schnell entdeckten die Konsumenten, wie Apps ihren Alltag erleichterten. Das wiederum schaffte einen neuen Markt und neue Geschäftsmodelle für App-Entwickler und führte zu zahlreichen Firmengründungen
  • Erschließen neuer Vertriebswege und Channels, um Kunden zu erreichen.
  • Unternehmen riefen eine „Mobile First Strategie“ aus. Webseiten mussten „responsive“ werden, um auch auf Mobilgeräten optimal dargestellt zu werden.
  • Booster der Digitalisierung.

Die eigentliche Beschleunigung der Digitalisierung kam in dem Moment, als ein begeisterter Smartphone-User sich fragte, warum sich nicht auch an seinem Arbeitsplatz alles so einfach über Apps organisieren ließe. Also ging er zu seinem Chef und fragte, warum es denn noch keine Smartphones und Tablets für Mitarbeiter gäbe. Damit könnte man doch die vielen kleineren und größeren Aufgaben mit intuitiven Apps erledigen, anstatt wie bisher mit Papier oder bestenfalls PCs. Außerdem könnte man viel Geld sparen: Es müsse keine teure Software für PCs beschafft und gewartet werden. Apps nutzen die Cloud und brauchen kein unternehmenseigenes Rechenzentrum mit teuren Servern und spezialisierten und raren Administratoren. Und während Schulungen für die meisten Business-Anwendungen obligatorisch, aber auch teuer waren, fragte kaum jemand nach einer Schulung für eine App.

Ähnliche Entwicklung bei ChatBots?

Man braucht nicht viel Fantasie, um sich den Moment vorzustellen, in dem der damalige Mitarbeiter des Monats, der den Anstoß zu Apps für Unternehmensprozesse gab, wieder im Büro seines Chefs steht. Nur dürfte er dieses Mal fragen, warum es eigentlich nicht möglich ist, auf das verteilte Wissen im Unternehmen über einen Chatbot-Prompt zuzugreifen und dabei auch gleich mehrere alternative Handlungsempfehlungen als Antwort zu erhalten.

Die Notwendigkeit eines eigenen ChatBots

Auf die Frage, ob sie Seelsorgern empfehlen würde, Predigten von Künstlicher Intelligenz schreiben zu lassen, antwortete die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland gemäß der Berliner Morgenpost: „Jede gute Idee, jeder kluge theologische Gedanke ist hilfreich. Egal, woher sie kommen. Aber sie müssen durchs eigene Herz gehen.“

Jetzt dürfte es für Gläubige verwirrend werden, wenn der evangelische Pastor in seiner mit ChatGPT erstellten Predigt Gedanken vertritt, die der Auslegung einer anderen Glaubensgemeinschaft folgt. Ohne dieses Beispiel vertiefen oder bewerten zu wollen: Es zeigt die Notwendigkeit, dass ein Chatbot manchmal bei Antworten ausschließlich auf Informationen des eigenen Unternehmens zurückgreifen darf.

Außerdem müssen Unternehmen die Zusicherung haben, dass das, was der Chatbot lernt, auch nur Benutzern im eigenen Unternehmen zugänglich gemacht wird. Firmen wie OpenAI/Microsoft dürfte das längst bewusst sein. Schließlich wäre der Erfolg einer Public Cloud wie Microsoft Azure kaum denkbar gewesen, wenn die Daten, die Unternehmen in dieser Cloud verarbeiten, öffentlich verfügbar wären. Ähnlich muss auch der Chatbot einen unternehmensinternen und abgesicherten Modus ermöglichen.

Gedanken, die durchs Herz gehen müssen

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels, Ende April 2023, stellt die Verwendung von ChatGPT eine wesentliche Anforderung an  Benutzer: Sie müssen „Herz und Verstand“ gebrauchen können. Warum? Allzu häufig neigt der Chatbot zu „Halluzinationen“. So bezeichnet man eine überzeugend richtig klingende Antwort einer KI, die tatsächlich aber falsch ist. Warum das so ist, erklärt ChatGPT selbst, wenn man „es“ fragt, wie „es“ funktioniert:

„Um eine Antwort zu generieren, analysiert ChatGPT den eingegebenen Text und erzeugt eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die nächsten Wörter, die es in der Antwort verwenden könnte. Das Modell wählt dann die wahrscheinlichste Antwort und generiert sie. Dieser Prozess wird iterativ wiederholt, bis eine vollständige Antwort erzeugt wurde.“

Vereinfachend gesagt: Bei seinen Antworten hat ChatGPT gut und glaubhaft geraten.

Daraus folgt, dass Anwender die Fähigkeit brauchen, wahr von unwahr zu unterscheiden. Auch wenn wir in den vergangenen Jahren aufgrund der Zunahme von Fake-News ausreichend Möglichkeiten hatten, das zu trainieren, so bleibt beim Ausbau dieser Fähigkeit noch einiges zu tun. Entsprechende Skills werden auch im beruflichen Umfeld immer wichtiger werden.

Ausblick

Auf die Frage, wie es funktioniert, antwortet ChatGPT im Nachsatz:

„Das Modell wird kontinuierlich verbessert und trainiert, indem es auf immer größere Mengen an Texten angewendet wird. Dadurch kann es immer bessere Antworten generieren und sich an verschiedene Anfragen anpassen.“

Was diese Modelle alles können und was in der nächsten Version von GPT zu erwarten ist, zeigt die Veröffentlichung „Sparks of Artificial General Intelligence: Early experiments with GPT-4“, die über die Webseite von Microsoft Research verfügbar ist.

Die Autoren schreiben in ihrer Zusammenfassung:

„Wir zeigen, dass GPT-4 über die Beherrschung von Sprache hinaus in der Lage ist, neuartige und schwierige Aufgaben in Bereichen wie Mathematik, Kodierung, Vision, Medizin, Recht, Psychologie und mehr zu lösen, ohne spezielle Anweisungen zu benötigen. Darüber hinaus ist die Leistung von GPT-4 in all diesen Aufgaben auffallend nah an der menschlichen Leistung und übertrifft oft frühere Modelle wie ChatGPT bei weitem.“

Um diese starke Aussage zu stützen, dokumentieren die Autoren auf 155 Seiten unter anderem, aufgrund welcher konkreten Anfrage GPT-4 welches verblüffende Ergebnis lieferte.

Als Beispiel, dass laut der Autoren „GPT-4 mehr gesunden Menschenverstand zeigt als frühere Modelle“, wurde dieser Prompt verglichen:

„Hier haben wir ein Buch, 9 Eier, einen Laptop, eine Flasche und einen Nagel. Bitte sag mir, wie man sie stabil aufeinanderstapelt.“

Die Antwort von ChatGPT auf der Basis GPT-3.5 führt noch zu einem Schmunzeln:

  • Platziere die Flasche auf einer flachen Oberfläche.
  • Balanciere vorsichtig den Nagel auf der Flasche.
  • Lege die Eier auf den Nagel und achte darauf, dass sie ausbalanciert sind und nicht zur Seite kippen.
  • Platziere den Laptop auf den Eiern, achte wieder darauf, dass er ausbalanciert ist und nicht zur Seite kippt.
  • Lege schließlich das Buch auf den Laptop

Dieser Stapel ist möglicherweise nicht sehr stabil, daher ist es wichtig, vorsichtig damit umzugehen. Alternativ könntest du versuchen, die Objekte in einer anderen Reihenfolge zu stapeln oder einige der Objekte als Stützen für andere zu verwenden, um einen stabileren Stapel zu schaffen.

Verblüffend dann die Antwort von GPT-4:

Eine mögliche Art, die Objekte stabil übereinander zu stapeln, ist:

  • Lege das Buch flach auf eine ebene Fläche wie einen Tisch oder den Boden. Das Buch wird als Basis des Stapels dienen und eine große und stabile Unterstützung bieten.
  • Ordne die 9 Eier auf dem Buch in einem 3 mal 3 Quadrat an, wobei du etwas Platz zwischen ihnen lässt. Die Eier bilden eine zweite Schicht und verteilen das Gewicht gleichmäßig. Stelle sicher, dass die Eier nicht gebrochen oder beschädigt sind, und behandle sie vorsichtig, um ein Fallen zu vermeiden.
  • Platziere das Laptop auf den Eiern, mit dem Bildschirm nach unten und der Tastatur nach oben. Der Laptop wird passgenau innerhalb der Begrenzungen des Buches und der Eier sitzen, und seine flache und starre Oberfläche wird eine stabile Plattform für die nächste Schicht bieten. Stelle sicher, dass der Laptop geschlossen und ausgeschaltet ist, und drücke keine Tasten oder Knöpfe.
  • Platziere die Flasche auf dem Laptop, mit dem Deckel nach oben und dem Boden nach unten. Die Flasche wird dem Stapel etwas Höhe und Balance verleihen, und ihre zylindrische Form wird die Kontaktfläche mit dem Laptop reduzieren. Stelle sicher, dass die Flasche leer und geschlossen ist, und schüttle oder kippe sie nicht.
  • Platziere den Nagel auf dem Flaschendeckel, mit der spitzen Seite nach oben und der flachen Seite nach unten. Der Nagel wird das letzte und kleinste Objekt im Stapel sein, und seine scharfe Spitze wird verhindern, dass er vom Flaschenhals rollt oder rutscht. Stelle sicher, dass der Nagel sauber und gerade ist, und berühre oder bewege ihn nicht.

Die Autoren gehen so weit zu sagen, dass GPT-4 bereits eine „frühe, aber immer noch unvollständige Version einer AGI“ sei. AGI steht für „Artificial General Intelligence“ (zu deutsch: künstliches Allgemeinsystem). Es bezeichnet eine KI, die in der Lage ist, eine Vielzahl von intellektuellen Aufgaben zu lösen, die normalerweise von einem menschlichen Verstand bewältigt werden können. Im Gegensatz zu einer spezialisierten künstlichen Intelligenz, die darauf ausgelegt ist, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, soll eine AGI in der Lage sein, verschiedene komplexe Aufgaben zu bewältigen, ohne dass eine spezifische Programmierung oder Anpassung erforderlich ist.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels war GPT-4 bereits für zahlenden Anwender von „ChatGPT Plus“ verfügbar.

The genie is out of the bottle: Was bedeutet das für Unternehmer?

Klar, es gibt Unternehmen, die ganz offensichtlich den iPhone-Moment ignoriert haben. Der war im Jahr 2007. Doch über 15 Jahre danach gibt beispielsweise noch Versicherungsunternehmen, bei denen Kunden vergeblich nach einer Möglichkeit suchen, über ihr Smartphone oder Tablet eine Schadensabwicklung anzustoßen. Dass Versicherer, die mit der Digitalisierung nicht mehr in den Kinderschuhen stecken, eine höhere Kundenzufriedenheit erreichen, liegt auf der Hand. Außerdem dürften sie durch die Digitalisierung Kosten sparen. Dadurch haben sie den Spielraum, einen Teil der Einsparungen zu nutzen, um über günstigere Prämien mehr Neukunden zu gewinnen.

So wie das Definieren und Umsetzen einer Digitalisierungsstrategie Unternehmen fit für die Zukunft gemacht hat, so wird es jetzt auch bei der Berücksichtigung von Chatbots und ganz allgemein von AI in der Unternehmensstrategie sein. Außerdem braucht es unternehmensinterne Richtlinien, wie Mitarbeiter diese Tools nutzen. Viel Zeit bleibt Unternehmen nicht. Auch wenn manche den Impuls verspüren, ChatGPT zu verbieten, so gleicht das dem Versuch, den Geist schnell wieder zurück in die Flasche zu drücken.

 

Über den Autor

Jens Spaniel hilft nicht erst seit der Einführung des iPhones Unternehmen in der Definition einer Digitalisierungsstrategie. Seit 2014 hat er als freiberuflicher Berater Unternehmen bei der Umsetzung der digitalen Agenda und beim Wechsel zu agilen Methoden unterstützt. Als Unternehmer und Gründer der CERTENTIC GmbH hat er gezeigt, dass er sowohl die IT-Fachseite beraten kann als auch die Sprache der Kaufleute und Unternehmer spricht. Neue Technologien, Tools und Methoden sieht er als Erfolgsfaktoren, die jedoch zielgerichtet einzusetzen sind und die Akzeptanz der Mitarbeiter benötigen. Sein oberstes Ziel ist es, dass seine Kunden ihre unternehmerischen Ziele erreichen. Da er das als Teamleistung aller Mitarbeiter seiner Kunden sieht, versucht er den Einzelnen darin zu unterstützen, sein Potenzial auszuschöpfen.

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